Neapel 2014 – eine Woche im November
Armut, Verkehrschaos und Schmutz, organisierte Kriminalität, das sind die am häufigsten genannten Vorurteile, die man hört wenn man Neapel besuchen will. Manches ist sicherlich wahr, vieles aber auch übertrieben. Für uns präsentierte sich Neapel eher als quirlige, etwas chaotische Stadt voller Lebensfreunde und Gastfreundschaft. Angst muss man sicherlich nicht haben, und aufpassen auf seine Wertsachen sollte man wie in jeder anderen Großstadt auch. Wir jedenfalls haben beschlossen – so viel schon mal vorab – das wir Neapel die nächsten Jahre ein weiteres Mal besuchen wollen.
Neapel ist auch eine reizvolle Stadt am Fuße des Vesuvs mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten in der Region – es seien nur Pompeji, Herculaneum, der Vesuv selbst, die Phlegräischen Felder, die Amalfifiküste, Capri… genannt. Zu viel für die eine Woche, die wir Zeit hatten. Zumal die Stadt selbst mit großartigen Museen, Plätzen und Palästen auftrumpfen kann, ganz abgesehen von den engen Gässchen, Kirchen und Katakomben, den zahlreichen Läden und Einkaufsstraßen, Restaurants und Kaffees, die zum Bummeln und Shoppen einladen. Zwischen Kunsthandwerk, Boutiquen, Schuhgeschäften, Lebensmittelläden und Fischverkäufern lässt sich noch heute die alte neapolitanische Volkskultur bestaunen. Lohnenswert sind auf jeden Fall das Centro Antico, die Via Toledo, die Viertel Chiaia, Vomero, die Gegend rund um das Castel del Ovo sowie der Yachthafen Santa Lucia.
Unser Quartier, das Hotel Il Convento liegt nahe dem Zentrum, ein idealer Ausganspunkt um das meiste in der Stadt zu Fuß oder mit der U-Bahn zu machen. Das einfache, saubere Hotel ist preisgünstig und empfehlenswert. Vor rund 20 Jahren zählte diese Gegend zu den gefährlichsten der Stadt, so wurde uns jedenfalls erzählt, heute braucht man sich diesbezüglich aber keine Gedanken mehr zu machen. Und die vermutlich allgegenwärtige Camorra ist an Touristen nicht interessiert. Zu beachten ist zudem, dass man Neapel und besonders die touristischen Orte rund um die Stadt nicht gerade in Zeiten der Hochsaison besuchen sollte.
Bildergalerie Tag 1: Via Toeldo bis Castel del Ovo
Tag 2: Pompeji und Neapel am Abend
Nach einem ersten Bummel durch über die Via Toledo und zum Castel del Ovo ging es am Folgetag gleich erstmal nach Pompeji. Dafür hatten wir uns von Deutschland aus eine Privatführung für diesen Tag mit einer deutsch sprechenden Neapolitanerin organisiert. Macht die Sache einfacher und man bekommt gute Informationen aus erster Hand, nicht nur von Pompeji, sondern auch was etwa Restaurants abseits touristischer Pfade betrifft.
Pompeji. Wohl kaum jemand hat noch nichts von dieser Stadt gehört. Je nach Quelle besuchen zwischen drei und sechs Millionen Menschen diesen geschichtsträchtigen, weltweit nahezu einmaligen Ort. Untergegangen und verschüttet beim Ausbruch des Vesuv 70 n. Chr. Gegründet wurde Pompeji etwa 700 v. Chr. von den Osker, einem regionalen Stamm. Dann kamen die Griechen, es folgten die Etrusker und zuletzt die Römer. Wiederentdeckt wurde die Stadt im 18. Jahrhundert. Es ist eine der am besten erhaltenen antiken Stadtruinen. Man kann viel darüber lesen und auch Filme anschauen. Wirklich beeindruckend ist sie aber bei einem Besuch, wenn man selbst vor und in den Ruinen steht. Einfach faszinierend, ein Glücksfall für die Archäologie, nicht für die Menschen damals. Unglaublich wie Bilder, Mosaiken, Statuen und vieles mehr von vor 2000 Jahren noch erhalten sind. Noch beeindruckender – für mich – ist übrigens Herculaneum, dazu später mehr.
Abends, entsprechend einem Tipp von Daniela Ibello, unserem heutigen Guide, waren typisch neapolitanisch Essen. Dort, wo sich Touristen sicherlich nicht hin verirren. Stimmung pur, zu Anfang bekommt man gleich eine Flasche Wasser hingestellt und einen Liter Wein (aus Plastikbechern), schlicht und einfach, die Kellner sind gut gelaunt, das Essen einfach und gut. Pasta gegessen und frischen Fisch, dann noch Mozzarella. Alles zusammen für zwei Personen inklusive dem Liter Wein und einer großen Flasche Mineralwasser für 18 Euro.
Bildergalerien Tag 2 – Pompeji und Vomero, Neapel bei Nacht
Tag 3: Archäologisches Museum, Centro Antico
Am nächsten Morgen sind wir erst mal ins archäologische Museum die Via Toledo entlang gelaufen. Hier finden sich zahlreiche Artefakte u. a. aus Pompeji und Herculaneum, die den Besuch vor Ort hervorragend ergänzen. Bestens erhaltene große und kleinere Statuen, feinste Mosaiken und fantastische Wandgemälde, Haushaltsgegenstände, Gläser, silbernes Geschirr und vieles mehr lassen sich bestaunen. Dabei wird nur ein Bruchteil der gefundenen Artefakte ausgestellt, wurden bis dato doch mehrere Hundertausende Gegenstände geborgen.
Den Grundstock bilden die Funde aus den beiden Großgrabungen, hinzu kamen mehrere, ehemals private Sammlungen mit Funden aus römischer Zeit, von antiken griechischen Stätten und aus vorrömischen Kulturen Süditaliens.
Anschließend ging es durch das Centro Antico, das alte Stadtzentrum Neapels. Eine Stadt in der Stadt. Chaos, Gewühl, Lebensfreude, die Stadt hat was. Nur eines nicht, auch hier muss sich sicherlich nicht mehr vor Kriminalität fürchten als in irgendeiner anderen Großstadt der Welt.
Eine Straße ist ganz den Krippen und Figuren gewidmet, ein Laden neben dem anderen, Universität, Kirchen, aber auch ruhige, enge Gassen. Und überall, wirklich überall fahren Roller und Kleinwagen, im Gegenverkehr. Nicht allzu viele, die aber mit eingeklappten Seitenspiegeln auch in den engsten Gassen.
Immer wieder ein Stopp in einem der unzähligen Kaffee. Den Trubel genießen, die Menschenmengen und das scheinbare Chaos beobachten, das bei einem Gläschen Wein – nach dem Kaffee. Abends noch den Untergrund Neapels in Form einer Führung besichtigt – ohne geht es nicht – und dann abends ins gleiche Restaurant wie gestern nahe dem Hotel gelegen. Funktioniert übrigens alles ganz gut auch ohne italienische Sprachkenntnisse.
Übrigens, wer sich hier an Verkehrsregeln hält, baut einen Unfall. So jedenfalls hat man uns erzählt. Das kann man wirklich glauben. Nur ein Unterschied zu uns in Deutschland. Keiner beharrt auf sein Recht, deswegen läuft alles nahezu reibungslos ab und die zahlreich zu sehenden Polizisten interessiert das alles nicht. Und eine Delle mehr oder weniger am Auto stört hier anscheinend niemanden.
Bildergalerien Tag 3: Archäologisches Museum und Centro Antico, die Altstadt
Tag 4: Herculaneum, Vesuv und die Phlegräischen Felder
Am Folgetag sind wir dann auf nach Herculaneum, diesmal wieder mit unserer Führerin Daniela. Wir sind früh am Morgen da gewesen und die einzigen bis gegen 10.30 Uhr Sie hat für einen geringen Aufpreis noch einen Fahrer mit Auto mitgebracht, macht uns für die geplanten Besuche einfach flexibler. Manches wäre allein mit Öffentlichen gar nicht machbar oder sehr zeitaufwendig. Während man Pompeji mit dem Zug gut erreichen kann, sieht es bei Herculaneum schon schwieriger aus und die Phlegräischen Felder heute Nachmittag wären kaum machbar.
Auch Herculaneum hat der Vesuv-Ausbruch von 70 n Chr. auf dem Gewissen. Auch Herculaneum erwischte zuerst ein pyroklastischer Strom, jedoch nicht so heftig wie in Pompeji. Dementsprechend wurde die Gebäude zuerst nur relativ wenig beschädigt. Ein zweiter und ein dritter Strom folgten und später noch ein stärkerer vierter. Das Material der letzten Ströme war dicht, zähflüssig und füllte die Gebäude bis in den letzten Winkel aus. Herculaneum lag unter einer etwa 20 m dicken Schicht begraben, die sich beim Abkühlen zu einer dichten Masse von Tuffstein verdichtet.
Dieser Ablauf sorgte für den guten Erhaltungszustand der Gebäude, so stehen häufig noch die zweiten Stockwerke – im Gegensatz zu Pompeji – und die Dächer brachen nicht ein. Zudem erhielt sich auch Holz im verkohlten Zustand im Inneren der Gebäude. In einem Laden finden sich zum Beispiel Geländer, Lebensmittelregale und Amphoren. Bis heute sind übrigens nur etwa 20 Prozent der Stadt ausgegraben, große Teile liegen unter der heutigen Stadt.
Herculaneum mit den geschätzten 4000 Einwohnern dürfte eine griechische Gründung gewesen sein und war zum Zeitpunkt ihres Unterganges eher eine kleine Hafenstadt. Die Ausstattung der Häuser deutet jedoch auf großen Wohlstand der hier lebenden Menschen hin. Der Ort dürfte als Sommerfrische für reiche Römer gedient haben, darauf deuten auch große Villen und herrschaftliche Gebäude hin. Muss man genauso wie Pompeji gesehen haben.
Anschließend der zweite Versuch auf den Vesuv zu kommen. Vorgestern durften wir wegen einem drohenden Gewitter nicht hoch laufen. Der Berg hat sein eigenes Klima. Rund um blauer Himmel, der Vesuv mitten in einer dunklen Wolke. Auch heute sah es nicht anders aus. Wir konnten dennoch hochlaufen. Über uns direkt ein Gewitter, Sicht fast null bis auf kurze Momente. Es war kalt und regnete als wir oben waren. Dann wurde der Berg auch schon wieder gesperrt. Dennoch, kurze Momente mit einem fantastischen Blick auf Neapel, Bilder von der Stadt, wie selbst viele Neapolitaner sie so noch nicht sahen und uns zu eben diesen Fotos gratulierten. Jedes Wetter hat seine Seiten. Und schlechtes gibt es nicht, nur falsche Kleidung, Und wir waren oben, wenn auch nur kurz.
Weiter geht es zu den Phlegräischen Feldern, einem Supervulkan. Als erstes nahmen wir uns Cuma vor, wie es heißt, die erste griechische Gründung außerhalb ihres Staates, jedenfalls die erste im heutigen Italien. Gegründet wurde der Ort um 750 v. Chr. Berühmt wurde der Ort durch die Wahrsagungen der Sibylle von Cuma, das zweitwichtigste Orakel nach Delphi. Ihre vermutete Höhle ist heute eine Attraktion, war jedoch nicht zugänglich, vermutlich weil wir die einzigen Besucher waren, eben außerhalb der Saison. das Orakel lag in einem Raum, zu dem ein 131 m langer Gang führt. Der älteste Teil dieser Anlage stammt aus dem 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr.
Die Phlegräischen Felder dehnen sich über ein Gebiet von mehr als 150 km² aus. Wichtigster Ort und zugleich Anziehungspunkt für viele Touristen ist die Ortschaft Pozzuoli. In der Nähe aßen wir auch in einem guten Restaurant hervorragende Pasta und Meeresgetier wie man es so nur frisch bekommen kann. Kochen können die Italiener einfach. Kurz davor noch ein Trip zu Piscina Mirabilis, nahe dem Restaurant gelegen. Dabei handelt es sich um ein hervorragend erhaltenes unterirdisches Trinkwasserreservoir der Römer, das zweitgrößte nach dem in Istanbul. Es diente zur Versorgung der classis praetoria Misenensis, der stärksten der Flotteneinheit der römischen Marine, deren Stützpunkt bis 330 n. Chr. Misenum war.
Das Reservoir ist etwa 70 m lang, 26m breit und 15 m hoch. Die Decke stützen 48 enorme Säulen, das Fassungsvermögen beträgt rund 12.600 m³. Es befindet sich in Privatbesitz, der Besuch ist nach einem Telefonat und einer kleinen Spende möglich.
In Pozzuoli selbst befindet sich übrigens ein riesiges Amphitheater, ähnlich dem Kolosseum in Rom. Es soll über 20.000 Besuchern Platz geboten haben. Wir hatten jedoch leider keine Zeit es zu besuchen, zumal nicht wenige Sehenswürdigkeiten außerhalb der Saison früh schließen. Keine Zeit blieb auch für eine Besichtigung der Überreste des alten Hafens. Hier lassen sich die Auswirkungen des Supervulkans beobachten. So finden sich auf den Säulen des antiken Serapis-Tempels Reste von Meeresmuscheln. Sie zeigen, dass sie längere Zeit unter Wasser standen. Der Grund: ein Heben und
Senken des Bodens, bedingt durch den Füllstand der riesigen Magmablase unterhalb. Geschätzt hat sich der Boden in den letzten zwei Jahrtausenden um 20 m gehoben und gesenkt. Allein um 1970 herum stieg er binnen dreier Jahre um etwa zwei Meter an. Halt ein aktiver Supervulkan, der, ginge er hoch, wohl Europa und den Rest der Welt mehr als verändern würde.
Nach dem Essen ging es dann als nächstes nach Solfatara, einem alten abklingenden Vulkan am Stadtrand. Hier finden sich zahlreiche Thermalquellen und im 770 m durchmessenden Krater selbst ist an mehreren Stellen der Boden intensiv gelb und orange gefärbt. Dabei handelt es sich um Schwefel, der sich aus dem heißen Dampf niederschlägt – und natürlich deutlich zu riechen ist. Zu sehen ist zudem eine altertümliche „Sauna“ aus der Römerzeit. Sie nutzte die natürliche Erdwärme und den Dampf, ist heute aber aus Sicherheitsgründen zugemauert.
Bildergalerien Tag 4: Herculaneum, auf dem Vesuv und die Phlegräischen Felder
Tag 5: Unterwegs in Neapel
Am Freitag, dem fünften Tag unseres Kurztrips, waren wir dann wieder in Neapel unterwegs. Zuerst im Hafengebiet, dann wieder in der Via Toledo, der Via Chiaia und der Spaccanapoli im Centro Antico. Läden um Läden jeglicher Art, es gibt nichts was es nicht gibt, alle Edelmarken, dutzende Schuhgeschäfte, Boutiquen… Menschenmassen. Hier ist auf jeder der drei bekanntesten Einkaufsstraße mehr los als auf der Stuttgarter Königsstraße an einem Advent. Die gehört zu dem meistfrequentierten Deutschlands. Eigentlich ist ein großer Teil des Zentrums Neapels eine Einkaufszone mit teilweise kilometerlangen Straßen. Nachmittags sind wir noch auf eine Festung hoch, dem Castel Sant´Elmo. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf Neapel. Ein ruhiger Tag mit dennoch nicht wenigen Fußkilometern.
Bildergalerie Tag 5: Chiaia, Sant´Elmo
Tag 6: auf Capri
Den Samstag nutzen wir für einen Tagesausflug nach Capri. Die Insel der Schönen und Reichen, bekannt durch die blaue Grotte. Das mit den Reichen scheinen die Bewohner auch weidlich auszunutzen. Sind die Preise hier doch im Mittel (jedenfalls für Essen und Trinken oder einen Ausflug zur blauen Grotte) etwa drei bis vier Mal so hoch wie die in Neapel. Ein Glas Wein (0,1 l) 190 – 12 €, ein kleiner Salat 12 €, ein Cappuccino 5 €. Gut, die Menschen hier leben nahezu ausschließlich vom Tourismus und viele bringen ihr Essen und Trinken gleich mit für einen Tagesausflug. Aber eines hat die Insel, sie ist wirklich schön und sauber. Ein Ausflug lohnt allemal. Gut, die blaue Grotte war wegen des etwas rauen Meeres gesperrt, aber die wollten wir sowieso nicht besuchen. Uns zog es zu den Ruinen der Villa des römischen Kaisers Tiberius, eine einfach etwa dreiviertelstündige Wanderung bergauf. Deswegen macht sie auch kaum jemand. Nur darf man nicht zu lange trödeln, schließ sie doch schon um 13 Uhr.
Selbst die Ruinen sind beeindruckend, obwohl nur noch Reste der Unterkonstruktion erhalten sind. Bis zu acht Stockwerke, eine ehemals überbaute Fläche von 7000 m2, selbst Wege waren mit Mosaiken ausgelegt, die Hauptterrasse mit verschiedenfarbigem Marmor , eine traumhafte Lage mit einer beeindruckenden Aussicht, hier kann man seine Fantasie spielen lassen ob des Prunkes und der Pracht die hier einst herrschten. Dabei war es nur eine von zwölf Villen des Herrschers. Sie wurde um das Jahr 27 n Chr. errichtet und diente dem alternden Herrscher als Regierungssitz bis zu seinem Tode 37 n Chr.
Neben dem Gebäude, bei unserem Besuch aber abgesperrt, befanden sich auf dem Anwesen noch Gärten, Nymphäen, ein erhaltener Signalturm für die Kommunikation mit Rom und ein weiterer Turm, der wohl astrologischen Beobachtungen diente. Dessen gewaltige Fundamente deuten nach Schätzungen auf eine Höhe von 130 m hin. Damit könnte er mit dem Weltwunder von Alexandria konkurrieren.
Für uns endete am Folgetag die Visite in Neapel, aber wie schon geschrieben, es wird nicht die letzte sein.