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Im Nordost-Grönland-Nationalpark 2023

Unterwegs in den Fjorden Ostgrönlands

Ausgangspunkt unserer Tour mit dem Expeditionsschiff MS Sea Spirit für die Fahrt in den Nordost-Grönland-Nationalpark ist die isländische Hauptstadt Reykjavik. Der Name bedeutet Rauchbucht und rührt vermutlich von Dämpfen der heißen Quellen in der Umgebung her. Es ist die weltweit am nördlichsten gelegene und die älteste permanent bewohnte Siedlung des Landes. Hier leben rund ein Drittel der etwa 335.000 Einwohner Islands.

Neben älteren, klassischen Holzbauten finden sich Gebäude der moderneren Architektur. Prägend für die Silhouette der Stadt ist insbesondere die Kirche Hallgrímskirkja, zugleich eins der höchsten Gebäude des Landes. Von ihrer Stellung auf einem Hügel überragt sie die Innenstadt. Benannt ist der Kirchenbau nach dem Dichter und evangelischen Pfarrer Hallgrímur Pétursson.

Lohnenswert ist der Spaziergang am alten Hafen und im Stadtteil Tjörnin mit Besuchen etwa des maritimen Museums und des Saga-Museums. Hier lässt sich einiges zu der Besiedlungsgeschichte des Landes erfahren, die von den Anfängen her gut dokumentiert ist.

Ansonsten machten wir einen Bummel durch das alte Zentrum, wir waren ja schon mal mehrere Tage hier (hier geht es zum Reisebericht Island). Ließen also die sehenswerten Museen aus, genossen lieber das eine oder andere Café.

Das Expeditionsschiff MS Sea Spirit

Am späteren Nachmittag geht es auf die MS Sea Spirit, das gleiche Schiff, mit dem wir im Sommer 2022 rund um Spitzbergen und in der Arktis unterwegs waren. Diesmal haben wir die Kabine 331 ein Deck höher, mit ihren rund 20 Quadratmetern ist sie recht großzügig und komfortabel ausgestattet. Viel Holz und Messing zeichnen das mit 91 m Länge und 15 m Breite recht kleine Schiff aus, es hat nur fünf Decks. Gegessen wird in einem a la Card-Restaurant, in einer Lounge gibt es Vorträge über die Tierwelt, Geologie und Natur, zudem finden sich eine Bücherei, Outdoor-Bistro und sogar ein Jacuzzi an Bord. Dennoch, es ist ein Expeditionsschiff und kein Kreuzfahrtschiff. Genau, was wir wollen. An Bord sind diesmal 109 Passagiere und 72 Crew-Mitglieder. Hinzu kommen noch einmal 18 Mitglieder des Expeditionsteams. Alle zusammen kommen aus 35 Ländern. 

Am Abend auf dem Schiff dann ein traumhafter Sonnenuntergang auf der Fahrt durch die Dänemarkstraße. Größtes Problem hier, die Auswahl der Bilder.

Auf hoher See

Wir queren die Dänemarkstraße auf dem Weg nach Grönland, fahren mit etwa 14 Knoten nordöstlich. Dabei überqueren wir den Polarkreis. Unser Ziel ist der Nordost-Grönland-Nationalpark, mithin über 100 mal so groß wie der Yellowstone-Nationalpark: kilometerlange, unberührte Wildnis im größten und nördlichsten Nationalpark der Welt.

Das zeigt die Dimensionen Grönlands auf. Mit nur rund 56.000 Einwohner und einer Fläche von knapp 2,17 Mio. Quadratkilometern ist das Land über sechs Mal so groß wie Deutschland, und das am dünnsten besiedelte der Erde. Gerade mal 0,027 Einwohner kommen hier auf den Quadratkilometer.

Die Menschen leben vorwiegend vom Fischfang, vor allem von Krabben und Heilbutt. Im kurzen Sommer hat sich in den wenigen größeren Orten wie Ilulissat oder Nuuk, der Hauptstadt zudem der Tourismus zu einem weiteren Standbein der lokalen Wirtschaft entwickelt. Im Winter kommen hartgesottene bei bis zu −30 °C für Hundeschlittenfahrten. Wobei die Temperaturen gut zu vertragen sein sollen, des trockenen Klimas wegen.  Im Sommer können die Temperaturen auf bis zu 25 °C steigen. Ostgrönland ist berühmt für seine riesigen Eisberge, die so groß sind wie zehnstöckige Häuser, riesige Berge, blühende Tundren und die besten Plätze der Welt, um Nordlichter zu sehen. Nordgrönland unterscheidet sich deutlich vom Westen des Landes, (hier der damalige Reisebericht mit Bildern) diesen Teil um Ilulissat hatten wir auch schon bereist. Hier im Norden ist alles ursprünglicher, kleiner und extremer. Wetter wie Lebensbedingungen.

Für uns stehen heute erstmals verbindliche Sicherheitsbriefings und zum Verhalten in der Arktis an, auch diesmal sind wir ja im Eisbärenland. Nachmittag gibt es noch Vorträge über die Tierwelt in der Arktis und auf Grönland.

Am kommenden Morgen gab es zwei weitere Vorträge: besonders interessant die Geschichte, die Kari Herberts, eine englische Journalistin und Buchautorin hielt. Ihr Vater Sir Wally Herbert gilt als Polarlegende. und war ein extremer Arktisforscher. Mit zehn Monaten schon verbrachte sie unter extremen Bedingungen zwei Jahre in einer sehr kleinen, abgelegenen Inuit-Siedlung im Nordwesten Grönlands. Seither ist sie stark mit den Menschen und der Region verbunden, widmet ihr Leben den Polarregionen. Sie hat mehrere Bücher erfolgreich veröffentlicht, tritt in Fernsehsendungen auf und – ist sie nicht in den Polargebieten unterwegs – lebt mit ihrer Familie in Cornwall.

Der Kong Oscar-Fjord ist erreicht

Nachmittags erreichen wir den Kong Oscar-Fjord, gehen am Antarcticahavn erstmals an Land und machen eine kürzere Wanderung. Hier finden sich die Reste einer Trapperhütte von 1930, die aus den Überbelibseln eines beschädigten alten Schiffes erbaut wurde, der Antarctica. Deswegen der Name. Im Sommer 2005 restaurierte man die Hütte – auch für die Benutzung durch die Sirius-Truppe, einer dänischen Eliteeinheit, im folgenden Winter zerlegte dann eine Lawine die Hütte in Einzelteile.

Antarcticahavn spielte auch eine Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen Norwegen und Dänemark um die Kontrolle von Ost-Grönland, bis das Land in den 30er-Jahren von dem Vorläufer des internationalen Gerichtshofes Dänemark zugeschlagen wurde. Ansonsten machen wir eine kleinere Wanderung, in der Ferne waren einige Moschusochsen zu sehen. Ihnen darf man sich nicht zu sehr nähern, sie können genauso gefährlich wie Eisbären sein. Erkunden kann man die bunte Tundra, wobei hier der Herbst schon deutlich Einzug hält. In ein/zwei Wochen gegen Ende August treten schon die ersten Winterstürme auf. Die Landschaften sind neben der Heimat für Moschusochsen und Polarbären auch die der Polarhasen. Kurz war auch einmal einer zu sehen. Die Landschaft ist weit, offen und scheinbar unberührt. Der Berge ringsherum erreichen Höhen von über 2000 m. Alles in allem war es ein erster Kontakt. 

Ella Ø, das Hauptquartiert der Sirius-Truppe

Am Samstagmorgen landeten wir in Ella Island an. Die Station Ella Ø ist das Hauptquartier einer dänischen Elitetruppe der Marine, der Sirius Schlittenpatrouille. Die Fernspäh-Hundeschlitteneinheit besteht aus 14 Mann, die die Küste von Nord-und Ostgrönland überwacht und den Nordost-Grönland-Nationalpark. Sommers sind sie mit Booten unterwegs und Winters mit Schlittenhunden, übernachten in Zelten oder alten Trapperhütten, die Tagesetappen betragen zwischen 30 und 50 Kilometern. Hier findet sich sogar eine kleine Landebahn, und wie es so ist, landet gerade als wir da sind eine kleine Maschine mit Versorgungsgütern. Operiert wird in Zwei-Mann-Trupps mit elf Hunden und einem Schlitten. Bewaffnet sind sie mit alten Repetierbüchsen und Glock-Pistolen aus dem zweiten Weltkrieg, da sie in der Kälte zuverlässiger sind als moderne Waffen. Im Grönland-Nationalpark besteht Waffenpflicht, auch für Besucher.

Die Gründung der Truppe geht auf die Auseinandersetzungen zwischen Dänemark und Norwegen von vor dem zweiten Weltkrieg zurück. In zweiten Weltkrieg diente die Truppe der Aufklärung deutscher Aktivitäten in Nordostgrönland, die hier Wetterstationen unterhielten. Nach dem Krieg löste man die Einheit auf, stellte 1950 eine neue auf und nannte sie ab 1953 Sirius-Patrouille.

Wir bekamen die Genehmigung, an eben diesem Stützpunkt anzulanden und konnte eine schöne Wanderung in einer wunderbaren Gegend machen und auch das eine oder andere kurze Gespräch führen.

Blomsterbugt, die Blumenbucht

Nach einer kurzen Schiffsfahrt erreichten wir am Nachmittag Blomsterbugt, die Blumenbucht. Auf einer kurzen Wanderung machten wir uns mit der grönländischen Vegetation bekannt. Moshe Agami, Professor und Biologe aus Tel Aviv scheint jede einzelne Pflanze zu kennen. Die botanische Vielfalt ist enorm, trotz der extremen Bedingungen, die hier herrschen. Wir haben hier die arktische Tundra, sie ist baumlos, es gibt nur eine kurze Wachstumsperiode, der Boden ist ab Tiefen von 20 bis 350 Zentimetern an das ganze Jahr über gefroren. Dennoch finden sich pro Quadratkilometer je nach durchschnittlicher Jahrestemperatur recht viele unterschiedliche Arten. Bei elf Grad sind es bis zu 400, bei vier Grad noch 50 Arten. Noch extremer ist die dann folgende polare Wüste, hier dominieren Algen, Flechten und Moose.

Am Waltershausen Gletscher und Kap Ovibus

Wir waren weiterhin im Kong Oscar-Fjord unterwegs, nordwärts. Unser Ziel, der Waltershausen Gletscher. Er ist ungefähr elf Kilometer breit und erreicht eine Höhe von 20 Metern. Benannt hat ihn die Karl Koldewey-Expedition 1869-70 nach Baron Wolfgang Sartorius von Waltershausen (1809-76), einem deutschen Professor für Mineralogie und Geologie an der Universität von Göttingen. Hier machen wir eine sehr nasse Zodiaktour den Gletscher entlang, nass deshalb, weil es ununterbrochen regnet. Gehört zu Grönland dazu. 81 Prozent von Grönland sind mit Eis bedeckt, die durchschnittliche Dicke der Eisschicht beträgt 1500 Meter, die größte Dicke beträgt 3400 Meter. Wir haben das Glück, einen nahen Eis beim Drehen zu beobachten. Das zeigt auch, warum man immer einen Sicherheitsabstand halten muss. Eisberge drehen sich, weil das Eis unter Wasser schneller schmilzt als über Wasser. Ich konnte das Ereignis komplett filmen, war eindeutig der Höhepunkt des heutigen Vormittag.

Am Nachmittag landen wir dann noch in Kap Ovibus an, machen eine kürzere Wanderung von etwa einer Stunde. Es regnet immer noch kräftig. Aufgrund seiner Abgeschiedenheit besuchen weniger als 1.000 Reisende pro Jahr den Nordostgrönland-Nationalpark.

Der Segelskaellskapetsfjord und mit dem Zodiak am Alpfjord

Am Folgetag erreichten wir den Segelskaellskapetsfjord. Eine fantastische Gegend, Landschaft pur und geologische Formationen, die ihresgleichen suchen. Man kommt aus dem Fotografieren kaum mehr heraus.

Die geologischen Formationen gehören zur Eleonore Bay-Group, sind etwa 960 Millionen Jahre alt und haben eine Mächtigkeit von bis zu 1500 Metern. Es handelt sich bei den oberen Schichten und Kalkgestein und Dolomit, tiefer unten findet sich Sandstein. Für die rote, braune und schwarze Färbung des Kalksteins sorgt Eisen, die weißen Streifen sind der Dolomit, der durch die Umwandlung des Kalkgestein und Einlagerung von Magnesium entstand. Und die Oberfläche der Formationen formten Wind, Regen und die Gletscher.

Für Geologisch Interessierte ein Paradies, hier einige Beispiel:

Nachmittags ging es wieder südwärts in einen kleinen Seitenarm des Kong Oscar-Fjords bei sich besserndem Wetter, in den Alpfjord. Sieht man die Bilder, weiß man woher der Name kommt. Hier machten wir eine Zodiakfahrt durch eine wunderbare Bergwelt entlang zahlreicher Gletscher.  

Abgelegen und Extrem: Ittoqqortoormiit

Es ging die ganze Nacht und den Vormittag südwärts. Der Kaiser Franz Josef-Fjord bleibt uns verwehrt, zu viel Eis blockiert die Durchfahrt. Unser Ziel war Ittoqqortoormiit. Es dürfte sich um eine der abgelegensten Siedlung auf Grönland handeln, gelegen am Eingang des Scorebysund Fjordsystems. Der nächstgelegene Ort ist etwa 500 Kilometer entfernt. Nur liegt der in Island, dazwischen das offene Meer. Und auf Grönland sind es 780 Kilometer zum nächsten bewohnten Ort. Hier an der Ostküste ist man eher isländisch geprägt, im Westen orientiert man sich eher an Kanada. Der grönländische Name Ittoqqortoormiit bedeutet Platz mit großen Häusern, hier leben aktuell 350 Menschen, Tendenz stark rückläufig.

Gegründet hat die Stadt der Däne Ejnar Mikkelsen 1925, unterstützt durch Dänemark. Auch hier spielte die Auseinandersetzung um Ostgrönland mit Norwegen eine große Rolle. In Ittoqqortoormiit finden sich Kirche, Schule, Altenheim, Krankenhaus, Polizeistation, Poststation, Museum, Buchladen, es gibt es sogar ein Touristenbüro, ein Gästehaus sowie eine kleine Kunstgalerie mit lokalen Produkten, vorwiegend aus Rentier oder Moschusochse. Produkte aus Eisbär, Walrossen oder Narwal werden ebenfalls angeboten, dürfen aber nicht in die EU eingeführt werden. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt minus 7,5 Grad Celsius, jetzt im August liegt sie bei plus 3,5 Grad. Man arbeitet vorwiegend in der Verwaltung und der Tourismus spielt inzwischen eine gewisse Rolle. Jagd und Fischerei haben dagegen an Bedeutung verloren, sind eher Hobby. Die Gemeinde hatte schon Mitte März ihre Quote von zehn erlegten Eisbären erreicht. Was sonst noch so abläuft, darüber schweigt man sich aus. Jedenfalls soll der Bürgermeister einen halben Container voll Eisbärenfellen besitzen. Alle natürlich aus den Jahren zuvor.

Zweimal im Jahr kommt ein Schiff mit Versorgungsgütern. Einmal, sobald das Eis aufbricht und dann kurz bevor wieder alles unerreichbar ist. Alkohol und Drogen sind hier wie in ganz Grönland ein großes Problem. So sollte man die Siedlung an Wochenenden eher meiden, so ein Guide. Hoch ist auch die Suizidrate. Ist man nicht mehr nützlich für die Gemeinde, ziehen manche – besonders ältere Menschen – daraus ihre Konsequenzen.

Richtung Sydkap: Nebelbogen und das Polarlicht

Ein seltener Nebelbogen

Die Fahrt ging weiter Richtung Sydkap. Wir erleben zum ersten Mal einen Nebelbogen. Sie entstehen genauso wie ein Regenbogen durch Lichtbrechung, nur sind sie etwa doppelt so breit und spalten das Licht nicht in seine Spektralfarben auf, bleiben weiß. Es folgt ein Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch und das Farbenspiel aus Rot und unzähligen Blautönen ist schon wunderbar.

Zwischen 23.30 Uhr und 1.30 Uhr sehen wir dann die ersten Polarlichter. Zwar nur schwach und wenig spektakulär, aber immerhin. So wird es eine kurze Nacht.

Aurora Borealis, das Nord-oder Polarlicht. Ursächlich dafür sind geladene Teilchen des Sonnenwindes, die auf die oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen. Das Magnetfeld der Erde sorgt dafür, dass die Teilchen zu den Polen geleitet werden. Verbinden sie sich mit Stickstoff- oder Sauerstoffatomen entsteht dabei das Nordlicht. Hier in dieser Gegend sind die Lichter meistens grün, dafür ist der Sauerstoff zuständig. Zu sehen sind sie, wenn der Himmel dunkel und klar ist. Findet diese Reaktion doch in etwa 100 Kilometern Höhe statt, also weit oberhalb der Wolkendecke. Zudem müssen höhere Sonnenaktivitäten herrschen.

So richtig erforscht ist das Phänomen noch nicht. Kein Wunder, dass die Menschen in früheren Zeiten den Lichtern mit Angst und Respekt begegneten oder einfach von ihnen verzaubert wurden. Sie schufen Märchen und Sagen um die Nordlichter, brachten sie mit Göttern, Kriegern und Fabelwesen in Verbindung, auch Philosophen, Chronisten und Wissenschaftler befassten sich seit jeher mit ihnen.

Am Sydkap und Bear Island

Das Sydkap ist eine Landzunge zwischen dem Eingang von Nordwest Fjord und Nordwestbugt. Benannt hat man den Ort nach Carl Ryder’s 1891-92 Expedition als Syd Cap. Seit 1934 nutzen Jäger diesen Standort und hinterließen die Ruinen ihrer Häuser. 1946 errichteten ein dänischer Telegrafenmeister und seine grönländische Frau die heutigen Gebäude, eine stabilere Hütte und ein Lagerhaus. Ziel war der Fang von Lachs und Shrimps. Das endete jedoch schon ein Jahr später. Die Gebäude werden auch heute noch von Jägern genutzt, die sich hier regelmäßig aufhalten. Das Anlanden musste zwischenzeitlich für fünfzehn Minuten unterbrochen werden, da sich das Wasser auf einmal mehrere Meter vom Ufer zurückzog und ein Tsunami befürchtet wurde. Es gab dann auch drei bis vier Meter hohe Wellen, aber ohne weitere Konsequenzen, da hier das Ufer steil abfällt. Der Grund war ein sich drehender Eisberg zig Kilometer entfernt. Daran sieht man die Gewalt der Eisriesen, die es schaffen, in einem großen Fjord derartiges zu bewirken. Das hatten auch die Guides noch nicht erlebt.

Weiter geht es in Schleichfahrt mit fünf Knoten (7 km/h) bis zu unserem nächsten Ziel, dem Bear Island. Wir sahen jedoch keine Eisbären, auch wenn deren Auftreten einst bei der Ersterkundung der Bucht ihr den Namen gaben. Die langsame Fahrt durch den Fjord ist vorgeschrieben, zum Schutz der Meerestiere. Wir machen wieder eine zweistündige Zodiakfahrt vorbei an Eisbergen durch eine wunderschöne Fjordlanschaft mit Bergen ringsherum. Und dass bei schönstem Wetter. Am besten ist es, die Bilder sprechen zu lassen.

Rype Næs, ein Pflanzenparadies

Wir sind weiter südlich, bei Rype Næs. Vormittags halten wir uns auf dem Land auf. Nachmittags gibt es wieder eine Zodiakfahrt einen Gletscher entlang. Die Vegetation ist hier noch nicht so herbstlich wie weiter nördlich, hier blüht noch einiges und die Pflanzen sind für hiesige Verhältnisse recht üppig. Wie meist handelt es sich beim Landgang heute um eine Perimeterlandung. Das heißt, wir können uns in einem überwachten Bereich frei bewegen. Bei einem Landgang eruieren die Guides als Erstes, ob das Gelände weiträumig frei von Eisbären und Moschusochsen ist. Herrscht Nebel und damit keine gute Sicht, gibt es keine Anlandung. Scheint es alles in Ordnung zu sein, sichern mehrere Mitglieder der Expeditionscrew mit Signalwaffe und Gewehr das ganze Gelände an strategischen Punkten ab und überwachen das Areal kontinuierlich mit Ferngläsern. Sollte in der Ferne etwas gesichtet werden, muss alles sofort zurück. Bei Wanderungen wird ebenfalls erst das Gelände gesichert und die kleineren Gruppen müssen zusammenbleiben und werden meist von zwei bewaffneten Guides begleitet.

Zodiak und Moschusochsen

Mit dem Zodiak ging es später einem nahe gelegenen Gletscher am Terrassepynt entlang, der sich aber recht ruhig zeigte. Keine Kalbungen, auch wenig Eis und keine größeren Eisberge.

Dafür ließen sich am Hang in etwas über einem Kilometer Entfernung eine Gruppe Moschusochsen blicken, diesmal nicht nur als schwarze Punkte in der Ferne. Männliche Tiere werden bis zu 1,50 M hoch und sie leben noch in der arktischen Tundra in Grönland, Kanada und Alaska. Kleinere Herden ursprünglich grönländischer Tiere finden sich heute auch in Norwegen und Schweden. Der Gesamtbestand wird heute auf etwa 145.000 Tiere geschätzt.

Der Sprung ins kalte Wasser und ein Barbecue

Der Sprung ins kalte Wasser. Der hat für mich Tradition. Erstmals ging es in der Antarktis bei Deception Island in die eisigen Fluten, dann letztes Jahr in der Arktis bei Spitzbergen und jetzt eben im Osten Grönlands. Diesmal hat das Wasser etwa Null Grad Celsius, sechs oder sieben andere folgten. Brauchten aber teils mehrere Anläufe, kann bei einem Kopfsprung nicht passieren. Anschließend gab es noch ein Barbecue am Oberdeck. Bevor es in die Bar ging. Hat was.

Eine kleine Nachtfahrt

Heute geht es schon um 4.30 Uhr in der Nacht raus. Geplant war erst eine Anlandung, aber das Schiff kam nicht nah genug an den möglichen Landepunkt heran, der Fjord war durch zu viel Eis blockiert. Also machten wir eine Zodiaktour bei Vollmond durch die Eiswelt. Hat auch etwas. Der Grund für den frühen Termin ist ein aufziehendes Sturmtief. Wir müssen zurück nach Island durch die Dänemarkstrasse, offene See. Das Zentrum des Sturmtiefes will der Kapitän umfahren, insofern hat man das Programm angepasst. Flexibilität ist auf einer solchen Reise tagtäglich gefordert.

Die Fahrt zum offenen Meer hin geht anschließend durch den Øer-Fjord und durch den Scoresby Sund, mithin der größte Fjord weltweit. Er ist etwa 110 km lang, mit den Seitenarmen sogar 350 km. Die maximale Tiefe beträgt 1450 m. Die breiteste Stelle beträgt 29 km, die Berge ringsherum erreichen eine Höhe von 2000 m. Die Fahrt meist bei Sonnenschein ist traumhaft, es dominieren Blautöne aller Art. Der Kontrast der Farben ist ein einmaliges Schauspiel, man verbringt Stunden auf dem Deck im eisigen Fahrtwird. Der Kapitän muss ganzschön manövrieren, da unzählige kleinere und größere Eisberge den Fjord entlang treiben. Was ihm, nach eigener Aussage, viel Spaß macht. Auch hier gilt, lassen wir die Bilder sprechen.

Die Rückfahrt, anders als erhofft

Zweieinhalb Tage offene See. Durch die Dänemarkstrasse. Die Rückfahrt nach Island durch die Dänemarkstrasse war anders als erhofft. Keine Walbeobachtungen oder das offene Meer genießen. Wir brachen ja  früher auf, cancelten die Westfjorde Islands – hier war der Stopp an einem berühmten Vogelfelsen angedacht. Die Häfen im Norden Islands sind geschlossen, es gilt roter Alarm aufgrund der Wetterprognose. Es zieht ein starkes Sturmtief auf, dass die Besatzung in ihren 15 Jahren so noch nie erlebt haben will. Die höchsten Wellen lagen bis dato laut der Mannschaft bei etwa sechs Metern, bei diesem Sturm werden elf Meter prognostiziert. Der Kapitän versucht jetzt das Sturmzentrum zu meiden – wir hätten direkt hindurch müssen, fährt nördlicher.Hier sollen die Wellen nur sieben Meter betragen. So war die Hoffnung. Los ging es mit der offenen See um die Mittagszeit, wir brauchten noch rund einen Tag, um überhaupt das Meer zu erreichen. Die etwas schützende Nordküste Islands erreichten wir etwa zwei Tage später Reykjavik am Montagabend nach zweieinhalb Tagen. Relaxen, Wal-und Delphinbeobachtungen oder Sichten der Aufnahmen war jedenfalls nicht möglich. . Bis dato hatten wir übrigens meist gutes Wetter. Nur bei der Rückfahrt halt nicht.

Quellen: eigene Erfahrungen, Internetrecherche, Bilder Werner Götz, Ausnahmen: Polarplunge und Rückfahrt: Shayne McGuire

Westgrönland 2016

Summer in the North – Unterwegs in Westgrönland

Hier findet sich der Reisebericht Island, von Reykjavik aus starteten wir unsere Tour nach Grönland

Flug nach Ilulissat (Grönland)

Grönland 2016 Web Auswahl 134Früh ging es los, stand doch der Flug nach Ilulissat (dänisch: Jakobshavn) in Westgrönland an. Eine kleine Maschine für 28 Personen, halb voll besetzt. So brachte ich auch den Fotorucksack mit seinem Übergewicht problemlos unter. Knapp drei Stunden dauerte der Flug einmal quer über Grönland. Erst etwa eine halbe Stunde vor der Landung verschwanden die Wolken, endlose Eisflächen taten sich auf. Und dann erschienen tiefblaue Seen in der Eisfläche, Fjorde mit treibenden Eisbergen auf blauem oder milchigem Gletscherwasser, einzelne schneefreie Landflächen, dann die Stadt Ilulissat.

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In Ilulissat leben 4500 Menschen und 1800 Schlittenhunde. In der ganzen Provinz „Polarkommune“, nur eine von mehreren in Grönland, leben etwa 17.600 Einwohner auf einer Fläche größer als Spanien. Grönland ist mit rund 56.000 Einwohner und einer Fläche von knapp 2,17 Mio. Quadratkilometern – über sechs Mal so groß wie Deutschland – das am dünnsten besiedelte Land der Erde. Gerade mal 0,027 Einwohner kommen hier auf den Quadratmeter. 300 km nördlich des Polarkreises scheint zu dieser Jahreszeit die Sonne auch noch um Mitternacht, geht überhaupt nicht unter. Ende November fängt hier die Polarnacht an, die Sonne geht dann wieder am 13. Januar auf. Zum Nordpol sind es aber immer noch knapp 2311 km.

Nach dem Einchecken im Hotel direkt an der Küste bummelten wir erstmal durch den Ort, schauten uns die paar Geschäfte an und genossen das wunderbare Wetter. Denn Grönland empfing uns mit strahlend blauem Himmel. Während ich das hier schrieb, trieben gerade Eisberge am Fenster vorbei. Mittags waren noch keine hier. Gegen später kamen einige Riesen am Fenster vorbei, besser als jedes Programm in Fernsehen. Ilulissat selbst ist bekannt für den Ilulissat-Eisfjord, seit 2004 ein UNESCO-Weltnaturerbe und wurde 1741 als Jakobshavn nahe einer Inuit-Siedlung Namens Sermermiut errichtet. Diese war mit über 200 Bewohnern die größte Inuit-Siedlung jener Zeit. Ein bekannter Einwohner Ilulissats war Knud Rasmussen, der berühmte Polarforscher.

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Ilulissat, ehemals Jakobshavn

Die Menschen leben vom Fischfang, in zwei Fischfabriken verarbeiten sie vor allem Krabben und Heilbutt. Im kurzen Sommer hat sich zudem der Tourismus zu einem weiteren Standbein der lokalen Wirtschaft entwickelt. Im Winter kommen hartgesottene bei bis zu −30 °C für Hundeschlittenfahrten. Wobei die Temperaturen gut zu vertragen sein sollen, des trockenen Klimas wegen.  Im Sommer steigen die Temperaturen auf bis zu 25 °C, bei uns herrschten um die 20 °C. Genug, um in der Sonne auf der Terrasse des Hotels zu sitzen und den Eisbergen zuzuschauen.

Ilulissat und Siedlung am Eisfjord

Heute haben wir zwei Wanderungen hinter uns. Eine kürzere (3 km) in Begleitung zweier junger Inuit-Damen und eines weiteren Besuchers zu Sermermiut im Eisfjord gelegen, die wichtigste archäologische Stätte des Landes. Schon 2000 v. Chr. lebten hier vorgeschichtliche Kulturen, mit über 200 Einwohnern soll es um 1740 eine der größten Siedlungen der Thule-Kulturen gewesen sein. Man sieht nur nichts mehr, deswegen waren die Erzählungen der Guides sehr wichtig.  Sehr viel mehr sieht man jedoch im Eisfjord, nämlich Eisberge und -schollen zuhauf in traumhaften Umgebung. Natürlich bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel.

Nachmittags sind wir deswegen noch einmal allein ins Eisfjord gewandert (4 km), aber einen anderen Weg bis zum Aussichtspunkt Kællingkløften. Ein paar Daten müssen sein: Der Ilulissat-Eisfjord ist Natur-Welterbe der Unesco, etwa 4000 km2 groß. Die Länge des Fjords ist 70 km, die Tiefe bis zu 1000 m. Die größten Eisberge von hier sind bis zu 2 km breit und über Wasser 150 m hoch, unter Wasser noch einmal 800 m. Sichtbar über Wasser sind so um  die 10 bis 15 Prozent eines Eisberges. Die Eisberge brauchen für die 70 km bis zum offenen Meer in Fjord drei bis zwölf Monate.  Vorher müssen sie eine nur 200 m tiefe Wasserstelle überwinden, große Eisberge stoßen hier auf Grund und zerbrechen irgendwann in kleinere Stücke. Täglich lösen sich 86 Mio. Tonnen Eis, die Geschwindigkeit des Gletschers beträgt derzeit bis zu 40 m am Tag. Er hat sich in den letzten zehn Jahren um zehn Kilometer zurückgezogen, vermutlich bedingt durch den Klimawandel. Wobei der Gletscher vor etwa 5000 Jahren schon mal auf dem heutigen Punkt stand. Hält man Gletschereis in der Hand oder nimmt es in dem Mund, sprudelt es. Der Grund: die im Eis unter hohen Druck eingeschlossenen Luftblasen. Irgendwie faszinierend, steht man jedoch an dem Eisfjord, muss sich alles dem wunderbaren Eindruck, der Atmosphäre und dem Genießen des Augenblicks unterordnen.

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Am Abend haben wir dann noch einen Platz auf einem kleinen Boot ergattert, Dinner Cruise, sprich es gab ein Mehrgangmenü mitten in den Eisbergen im Fjord. Auf dem Boot natürlich. Waren gerade mal sechs Personen, zwei aus den USA, zwei aus Japan und wir. Allein die Fahrt die Eisberge entlang, traumhaft. Und das Meer war ruhig. Auch das Essen war wirklich gut. Suppe als Vorspeise, Buffet mit Moschusrind, Rentier, Kabeljau… als Nachspeise süße Torte und Käse, dazu Weißwein. Hat alles gepasst. Und das Panorama die Eisberge entlang, einfach wunderbar. Zu guter Letzt ließ sich dann auch noch ein Wal blicken.

Bootsfahrt zur Siedlung Ilimanaq

Heute saßen wir wieder auf dem Boot. Diesmal auf einem alten, roten Fischerboot. Recht kühl war es, trotz „arktischer“ Kleidung. Grönland 2016 Web Auswahl 171Saßen wir doch alle draußen. Mit fünf weiteren Reisenden und der Bootsbesatzung ging es entlang des Eisfjords zu der Siedlung Ilimanaq, Fahrtdauer etwa eine Stunde. Die Sonne scheint immer noch, der Himmel ist blau. Wobei der Wetterbericht anderes prognostiziert hatte. Heute Morgen auf dem Fußweg zum Hafen sah es noch düster aus. Kaum auf dem Boot klarte der Himmel auf, die Sonne kam. Der dritte Tag Topp-Wetter in Folge.

In kleinen Siedlungen wie Ilimanaq wohnte vor nur einer Generation der größte Teil der grönländischen Bevölkerung. Sie reihten sich wie eine Perlenschnur entlang der grönländischen Küste. Heute leben die meisten Menschen in Grönland in den Städten, in der Gegend um Ilulissat herum gibt es jedoch noch vier kleinere Siedlungen.

In Ilimanaq finden sich derzeit 54 Menschen, sieben davon sind Kinder. Vier davon gehen in die Grundschule, die es hier gibt, der Rest in den Kindergarten. Die Menschen leben vom Fischfang und der Jagd. Künftig wollen sie auch ein wenig vom Tourismus partizipieren, deswegen bauen sie einige kleine Lodges direkt an der Küste. Ein älteres Haus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wird zudem umgebaut, hier soll ein kleines Restaurant entstehen und eine Ausstellung hineinkommen.

Grönland 2016 Web Auswahl 169Interessant auch, rings um die Siedlung, wie auch in Ilulissat gibt es große Bereiche, die den Schlittenhunden vorbehalten sind. Es sind Arbeitstiere und keine Haustiere, es heißt also sich fernzuhalten. Sie sind alle angekettet, läuft einer frei herum, wird er erschossen. Zu gefährlich. Hat einer einen Menschen gebissen, auch dann wird er getötet. So jedenfalls die Ranger in Ilulissat. Die Sommermonate über verbringen sie auf diesen Plätzen, schlafen, fressen und heulen. Bis der Winter kommt. In der Karte von Ilulissat sind diese recht großen Zonen rot markiert. Als Warnung für Wanderer. Sollte man doch mal einem freilaufenden begegnen und die Situation gefährlich erscheinen, heißt es, Steine nach Ihnen zu schmeißen. Auf keinen Fall nahe herankommen lassen. Regeln der Ranger.

Tagestour Eqip Sermia

Heute Nacht hat es etwas geregnet, am Himmel sind dunkle Wolken, inzwischen ist es wieder trocken. Es war gegen 5 Uhr morgens, wir mussten früh los, hatten wir doch heute eine zwölfstündige Schifffahrt vor uns. Mit einem etwas größeren Stahlschiff, das auch gegen Eisbrocken und sulzige See geschützt ist. Grönland 2016 Web Auswahl 174An Bord waren etwa 35 Personen. Unser Ziel, der einfach fünf Bootsstunden entfernt liegende Eqip Sermia-Gletscher, 80 km nördlich von Ilulissat in einem Fjord gelegen. Bis auf einen Kilometer kann man an die Gletscherzunge heranfahren, gefühlt sind es aber nur wenige Hundert Meter. Der Eqi-Gletscher ist bis zu 250 m hoch und etwa 2,3 km breit. Da er sich täglich um die 20 m vorwärtsbewegt, sind Kalbungen recht häufig. Wir konnten auch einige „kleinere“ beobachten, richtig große sind selten. Kleinere heißt aber auch, dass sich Eisbrocken von 50 oder 100 m Größe lösen und ordentlich Wellen auslösen, die auch in einem Kilometer Entfernung noch zu spüren sind.

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Beeindruckend ist die Geräuschkulisse, ein permanentes Donnern, lautes Knirschen und Krachen, wenn sich das Eis bewegt oder Teile lösen. Ein guter Teil der Mitfahrenden stieg hier aus, der Ausflug kann als Tagestour oder auch als mehrtägige Tour gebucht werden. Dann übernachtet man in der Nähe des Gletschers in der Glacier Lodge Eqi. Die Zeit haben wir aber nicht mehr. Jetzt sitzen wir bei der Rückfahrt, sortieren ein paar Bilder und schauen, ob sich auch noch Wale und Robben blicken lassen. Und genießen die wunderbare Lichtstimmung in der Sonne, die pünktlich kurz vor Erreichen des Gletschers erschien, der Himmel war im Nu wieder blau. Trotz anderslautendem Wetterbericht.

Am Tag darauf ging es Mittags wieder zurück nach Reykjavik. Dort Blieben wir noch drei Tage. Mehr dazu im Island-Reisebericht.

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